WUNSCHPRODUKTION: UNTERSUCHUNGS-ERGEBNISSE

Im Frühjahr ’24 hat das Parklabyr die rund tausend Beiträge gesichtet, verschlagwortet, analysiert und thematische Cluster herausgearbeitet, um die Frage zu beantworten, was der äusserer Schlosspark in Zukunft aus Sicht der Nutzer*innen „können muss“.

Eine breite und aussagekräftige Auswahl wurde am 2. Juni 2024 im Morsbroicher Spiegelsaal der Öffentlichkeit präsentiert. Die Beiträge stammen direkt aus dem Parklabyr im Schloss, von Ständen auf unterschiedlichen Märkten und Festen in der Umgebung und aus gezielten Workshops mit Zielgruppen und Schulen.

Im nächsten Schritt geht es darum, die hier umrissenen Qualitäten räumlich zuzuordnen und mit gärtnerisch-landschaftsplanerischer Expertise in Korrespondenz zu bringen, Raumeinheiten zu definieren.

Die hier veröffentlichten Texte entstammen einem Hand-Out für den Kulturausschuss Leverkusen.


1. NATUR IST DIE VERANSTALTERIN

Die Leverkusener:innen lieben den Park, verbinden glückliche Momente mit dem Ort. Sie sind aber äusserst kritisch über den jetzigen pflegerischen Zustand. „Dornröschenschlaf“ ist ein mehrfach genannte Beschreibung. Die Teilnehmer:innen wollen keine großangelegte Neuplanung, sondern „zarte Blicke, Luft zum Atmen“:

  • die verborgenen und verbuschten Qualitäten wieder heraus arbeiten – Konturen und Blickachsen sichtbar machen
  • historische (Rokoko-)Elemente aktualisieren
  • allein stehende Bäume und Skulpturen freistellen
  • mehr Pflege, mehr Wertschätzung
  • Akzente setzen (vor allem farblich, Wildblumenwiese, Blütensträucher, ggf. Stauden)
  • „Würde bewahren“: Schlossgarten ja, Wildnis nein.

Jedoch: „Mehr Skulpturen! Mehr verborgene Schätze! Mehr verwunschene Stellen!“ – das Verwunschene des Parks ist wichtig, die Artenvielfalt. Natur erleben, nicht erklärt bekommen. Kein abgezäuntes Reservat, keine langweilige Stadionrunde, sondern „geheime Pfade“. Kein Spielplatz mit Geräten sondern Spielmöglichkeiten („Kletterbaum mit Ästen unten“), vielleicht am Bach. Der meistgenannte konkrete Wunsch: „Eine Schaukel in einem alten Baum“.


2. EINE ANDERE WELT

Romantik

Das überraschendste Ergebnis der Untersuchung: Das Verhältnis der Leverkusener*innen, der Anwohner*innen und der Besucher*innen zu Morsbroich und seinem Park ist unheilbar romantisch.

Viele Beiträge wünschen sich den Park als Gegenwelt zum funktionalen Alltag („Zauberinsel des Glücks“, „Knutschinsel“), und der äussere Schlosspark wird dabei als wildschillerndes Gegenüber zum feierlichen Schlossgarten empfunden.

Übergang

Der romantische Übergang über den Wasserfall solle als „Tor in eine andere Welt“ dienen, schreibt eine Teilnehmer*in an ihren Entwurf – fast so, als handele es sich um einen Renaissance Garten im Florenz des sechzehnten Jahrhunderts.


Wasserfall

Aber auch ohne historisches Gartenwissen wird der Wasserfall als symbolischer Ort des Übergangs zelebriert: Bräute und Brautjungfern lassen sich über dem herab sprudelnden Wasser besonders gerne fotografieren. „Rites de passage“ und Insta-Spot für Hochzeitsfotos: am Wasserfall treffen Echos archaischer Traditionen auf eine mediatisierte Spätmoderne. Schön, das hier beides zusammengeht

Eigentlich eine Steilvorlage: Um die künstlich-romantischen Grottensteinreste des Wasserfalls wieder in ihrer Sinnlichkeit aufzugreifen und unverzagt weiter zu entwickeln,
und um die modernistische Schwächung des Ursprungskonzepts aufzuheben.

Brücke

Brücken und Übergänge werden als zartverspielte und geschwungene Antwort auf das Rokoko des Schlosses gezeichnet, nicht als rustikale Zimmermannsarbeit aus massiven Brettern und Pfosten, wie derzeit das Zentrum der Barockperspektive zwischen Dreiecksbecken und Teich.

Folly / Pavillon

Andere Beiträge beschreiben „amouröse Abenteuer“, nächtliche Sternbeob‐ achtung und „Entdeckerfreude“ – einige Beiträge entwerfen Übernachtungs‐ pavillons, Sternguckerliegen und temporär mietbare Baumhäuser. Es werden Pavillons gewünscht, womöglich mit „Recamiere“.
„Follies“ nannten die Engländer*innen jene Gebäudegattung in englischen Landschaftsgärten, bei denen der Bildhaft-Erzählerische Wert den prakti‐ schen Nutzen bei weitem übertraf. Solche nutzbaren Kunstwerke werden einige entworfen: Eine künstliche Ruine mit Möbeln aus Gras, Pavillons als Open-Air-Atelier, als Schreibort für Poesie. Es gibt diverse Entwürfe für Teehäuser, den Wunsch nach Regenschutz für Jugendliche und nach einem „Park Office!“ – denn, so weiß es der Beitrag: „Home-Office war gestern!“.

Grotte

In klassischen Gärten darf die Grotte als Verweis auf den Ursprung, als kühler Ort, Geborgenheit und bedrohliches Riesenmaul nicht fehlen. In der Wunsch‐ produktion gibt es viele Entwürfe für aufregende Grotten, inspiriert von Sagen und Star Wars, bewohnt von Nymphen oder, häufiger, von Waldgeistern aus japanischen Anime.

Aus diesem Themencluster lässt sich ein klares Mandat ableiten, mit Hilfe der Kunst den Park interessanter zu machen, klassische Parkelemente wie Brücke und Wasser-Übergang, Folly/Pavillon oder „Grotte“ ausdrucksstark und mutig zu aktualisieren.


3. (selbstgemachtes) VERGNÜGEN

Das Bild der Schaukel kann gar nicht ernst genug genommen werden:


Sich selbst bewegen, um auf sinnliche Weise sich und die Natur zu erleben – „vita activa“ und „vita contemplativa“ fallen zusammen.
Aber auch grundsätzlich beschreiben die Leverkusener*innen glückliche Momente im Park, die nicht viel brauchen: Den Genuss der natürlichen Umgebung, des Treffens mit Freunden, des mitgebrachten Picknicks, des Spiels der Kinder, die überraschende Begegnung mit wilden Tieren. „Entspannung“ und „Unbeschwertheit“ sind wich‐ tige Stichworte.
Konsequenz.

  • Benutzbarkeit erhöhen
  • Bespielbarkeiten schaffen
  • Begegnungen wahrscheinlicher machen

4. EIN SOMMERNACHTSTRAUM

Einige Teilnehmer*innen beschreiben eindrücklich Ereignisse wie die „Kriminacht“ und die „Hörspielnacht“, die teils in Kombination mit mondänen Picknicks den sommernächtlichen Park als Erlebnisraum nutzten.


Barockszenen, Kostümfeste und Märchen – den Park verzaubern durch Inszenierung, Anlässe schaffen durch „darstellende Künste“, Lesungen, „Kunstdiskurse“, „verschiebbare Elemente“, „langhaarige Wesen“, „Kindertheater“ und unplugged Konzerte, „Irish Folk“ – das könnte die Aufmerksamkeit breiterer Schichten auf den Park lenken.


Wobei viele Beiträge damit gar nicht den äusseren Schlosspark meinen, sondern die Gartenflächen direkt um das Museum Morsbroich.

Der „Morsbroicher Sommer“ wird vermisst.


5. MEHR BISS!

„Mehr Biss“ wünscht sich eine Teilnehmerin, und damit könnte gemeint sein: Auf den Punkt kommen, vorne sein, sichtbar und prägnant werden, anschaulich werden, in der Region und darüber hinaus relevant sein, ein Thema und eine Methode entwickeln und zu Ende denken und zu Ende umsetzen.